Sina – Traumberuf Pilotin?

Cockpit & Hörsaal – auch Piloten studieren trotz Traumberuf noch nebenbei!

Sina, Pilotin und Studentin, kommt gebürtig aus NRW und wohnt seit 13 Jahren in der italienischen Schweiz (Tessin). Warum sie neben ihrem Traumberuf Pilotin noch studiert, wieso ein zweites Standbein wichtig ist und wie ihr Alltag als Pilotin aussieht, erzählt die 28jährige im Interview.

Seit wann arbeitest du als Pilotin und wie war der Weg dort hin?

Lange wusste ich nicht, welche berufliche Richtung ich nach dem Abitur einschlagen sollte, weil ich einfach zu viele Interessen hatte, um mich festzulegen. Als mich jedoch ein Kollege auf einen Flug in der PA28 von Locarno nach Chur mitnahm, war die Sache für mich klar: Ich wollte Pilotin werden.

Leider bin ich bei Lufthansa und Swiss nicht für die vorfinanzierte Ausbildung genommen worden, so dass mir nur der private Weg blieb.

Ich arbeitete zusammen mit meinen Eltern einen Finanzierungsplan aus, um die Flugschule trotzdem absolvieren zu können. Ich jobbte zwei Jahre Vollzeit bei McDonalds als Hostess (das ist die Person, die im rosa Hemdchen herum läuft und die Kindergeburtstage organisiert), während meine Eltern alles sparten, was sie konnten.

18 Monate nach meiner Anmeldung zur Ausbildung war es dann soweit: ich war stolze Inhaberin einer Cpl/ ir. Wäre es nach mir gegangen, hätte ich direkt am nächsten Tag bei der nächstbesten Airline angefangen, aber der Markt und mein Schicksal sahen das anders. Es dauerte qualvolle 1,5 Jahre voller Absagen und nicht beantworteten Bewerbungen bis ich tatsächlich meinen ersten Arbeitstag bei der Schweizer Regionalairline hatte, wo ich heute fliege.

Ist dein Traumberuf so, wie du ihn dir vorgestellt hast?

Auch unserer Firma ging es nicht immer rosig, wir haben auch Kürzungen und Sparprogramme durch. Obwohl ich dankbar bin, dort fliegen zu dürfen (andere Flugschulkollegen haben nie einen Job im Cockpit gefunden, oder mussten gar noch für die Typenschulung horrende Summen zahlen), schaut man sich trotzdem weiter um. Man möchte schliesslich nicht sein ganzes Leben Kurzstrecke und Turboprop fliegen, auch wenn unser Arbeitsklima einzigartig familiär und herzlich ist.

Aber man merkt schnell, dass auf dem Markt nur Jetstunden zählen. Bei grossen Airlines ist die Konkurrenz sehr gross, und es braucht ausser Können auch ein kleines Quäntchen Glück und Symphatie, um sich durch alle Auswahlstufen zu kämpfen.

So kam ich ins grübeln. Was, wenn es unserer kleinen Firma genauso schlecht ergeht wie vielen anderen? Die Pleite war zeitweise nahezu greifbar. Was, wenn ich wieder jahrelang arbeitslos bin, oder gar keinen Job mehr im Cockpit finde? Als was arbeite ich dann die nächsten 40 Jahre bis zur Rente?

Familienplanung ist natürlich auch ein Thema. Man ist schnell mal für ein Jahr weg, und eine Garantie zurück kommen zu dürfen gibt einem niemandem. Gesundheitliche Probleme sind weiterhin eine ständige Bedrohung für unsere Lizenz.

Vielleicht waren alle diese Gedanken schwarzmalerei, aber ich hatte schliesslich nichts anderes gelernt. Wäre also schwer vermittelbar gewesen, da ich zwar im Besitz eines Flugscheins bin, aber keinen offiziell anerkannten Beruf habe. DIe Tätigkeit ansich gilt tatsächlich nicht als  Beruf.

Ich wollte mehr Sicherheit und einen Abschluss in der Tasche haben, um irgendwann eine Zusatzqualifikation als Ass im Ärmel besitzen zu können. So würde ich auch im worst case ohne fliegerische Tätigkeit meine Rechnungen zahlen können.

Du hast also ein Studium als Absicherung gewählt?

Ja, nach einigen Recherchen viel meine Wahl auf die HTW des Saarlandes, die einen Fernstudiengang in Aviation Business anbietet. Die fliegerische Kompetenz wurde anerkannt, sodass mir nur noch 6 statt 8 Semester bevorstanden. Mittlerweile bin ich im vorletzten Semester. Ich fliege seit 3 Jahren und studiere seit 2 Jahren und 3 Monaten.

Es ist ein Teilzeitstudium und ist sehr gut zu organisieren. Zu jedem Fach gibt es Vorlesungen, die man entweder vor Ort besuchen kann oder per Webinar mitverfolgen kann. Für die, die zu der Zeit nicht anwesend sein können, wird alles aufgezeichnet und ist jederzeit abrufbar. Ausserdem gibt es zu jedem Fach ein Skript, und die Professoren sind jederzeit telefonisch oder per Mail erreichbar. Meine Klausuren darf ich unter Aufsicht bei einer Partnerflugschule in Bern schreiben, damit ich nicht jedesmal nach Saarbrücken fahren muss.

Für mich bedeutet dies, dass ich sowohl an freien Tagen als auch an standby Tagen immer etwas für die Uni mache. Wenn man zwischen 10-15 Std die Woche lernt, ist man sehr gut bedient.Studieren und Fliegen heisst auch Opfer zu bringen und auch mal die Bücher mit ins Schwimmbad zu nehmen. Aber ich denke, irgendwann wird es sich auszahlen.

Finanziell ist das Studium ein grosser Aufwand, es kostet 15.000 Euro, die ich monatlich von neinem recht kleinen Lohn abzahle. Ich habe zum Glück die vollste moralische und im Haushalt tatkräftige Unterstützung von meinem Mann :)

Heisst das, Pilotin ist garnicht dein Traumberuf?

Doch, für mich ist es ein absoluter Traumjob, Pilotin zu sein. Es ist der einzige Beruf, der alle meine Interessen vereint: Sprachen, Reisen, Technik, Wetter, Menschen. Es fehlt einfach der klischeehafte Touch, den man sich darunter vorstellt. Nächte in 5 Sterne Hotels an tollen Orten sind eine Seltenheit, die Gehälter teilweise unterirdisch, wir bringen unser eigenes Butterbrot mit zur Arbeit wenn wir vier Stecken hin und her fliegen, und gebräunt sind wir auch nicht das ganze Jahr.

Wenn man dies akzeptiert, und sich trotzdem an der Leidenschaft fürs fliegen erfreut, wird man glücklich. Ein zweites Standbein ist meiner Meinung nach jedoch unabdingbar.

Wie sieht deine Zukunft aus?

Ich würde mir für meine berufliche Zukunft wünschen, dass ich immer fliegen kann und sei es Teilzeit. Und eventuell gibt es später die Möglichkeit, ins revenue Management reinzuschauen bzw eine Stelle bei den Zivilluftfahrtämtern zu bekommen.

Monentan ist es noch offen, was ich letztendlich mit dem Bachelor machen werde. Freue mich, wenn ich ihn endlich abgeschlossen habe und werde wohl endlich mein 18 jähriges Auto eintauschen können :-)

Hallo, ich bin Meike. Seit 17 Jahren arbeite ich als Flugbegleiterin.

2012 habe ich nebenberuflich den Reiseveranstalter JOVENTOUR gegründet und 2020 das Posterlabel littleplan

Mehr über mich erfährst du hier!

Meike