Constanze – Nebenberuflich ein Buch schreiben

Nebenberuflich ein Buch schreiben

Was haben der Flugbegleiterberuf und das Schreiben eines eigenen Romanes für Gemeinsamkeiten? Es sind beides Mädchenträume. Constanze hat sich beide Träume erfüllt: sie fliegt als Flugbegleiterin und in den kommenden Wochen erscheint ihr erster Roman “Polychrom”. Im Interview erzählt Sie, wie nebenberuflich ein Buch geschrieben hat und zur Autorin wurde.

Constanze, seit wann fliegst du als Flugbegleiterin und wie kam es dazu?

Ich fliege seit zweieinhalb Jahren. Im Prinzip war das schon immer ein Kindheitswunsch von mir. Nach dem Abitur entschied ich mich zunächst dazu, Archäologie zu studieren. Mit den Schwerpunkten Klassische Archäologie, Alter Orient und Vor- und Frühgeschichte. Nach meinem Magisterabschluss 2012 merkte ich allerdings, dass mich die Faszination Fliegen nie losgelassen hat und ich bewarb mich auf eine Stelle als Flugbegleiterin – die beste Entscheidung meines Lebens.

Nun bist du unter die Autoren gegangen und in kürze erscheint dein erstes Buch. Wo von handelt es?

In meinem Buch erzähle ich die Geschichte einer jungen Frau, die nach einem Schicksalsschlag erfahren muss, dass ihre Eltern gar nicht ihre Eltern sind. Eine spannende Reise in die Vergangenheit beginnt, welche die Protagonistin Claire von Paris nach Schottland führt. Alles beginnt in Paris 2016: Das Leben der jungen Claire befindet sich gerade durch tragische Ereignisse im Umbruch, als sie ein altes, verblassendes Foto von einer schönen, aber unbekannten, Frau entdeckt. Claire baut eine unerklärlich tiefe Bindung zu der Schweigenden auf Papier auf. Die Suche nach der Unbekannten führt die Protagonistin ins Schottland der 50er Jahre des 20. Jahrhunderts. Von diesem Moment an wird die Vergangenheit die Gegenwart der jungen Claire nicht mehr loslassen und alles Dagewesene infrage stellen.

Langsam – nur ganz langsam – offenbart sich ein düsteres Geheimnis: Ein lang zurückliegendes Verbrechen, dessen Augen noch immer über der Gegenwart wachen.

– Nichts ist so, wie es scheint –

Seit wann hattest du die Idee zu schreiben und wie lange hat es gedauert, deine Idee um zu setzten?

Wahrscheinlich konnte man die Anzeichen meiner Veranlagung zum Schreiben schon in früher Kindheit erkennen. Ich habe Lehrer und meine Eltern oft zur Verzweiflung getrieben, da ich unkonzentriert wirkte. Aber ich war immer konzentriert. Nur eben auf eine Geschichte, die sie alle nicht sehen konnten. Da sie in meinem Kopf stattfand.

Als ich noch nicht lesen und schreiben konnte, malte ich eben. Drückte all meine Gedanken und Phantasiereisen in Bildern aus. Im Jugendalter begann ich, kleine Geschichten zu schreiben. Keiner schenkte dem große Aufmerksamkeit. Noch nicht mal ich selbst. Als ich schließlich an der Universität war, vergaß ich diese Leidenschaft, da einfach andere Inhalte Raum forderten.

Im Rahmen meines Archäologiestudiums absolvierte ich jedoch viele Exkursionen. Eine von ihnen führte mich nach Schottland. Ich war von der Schönheit dieses Landes, seinen Menschen, seiner Mystik ergriffen und all die Zeit fragte ich mich selbst verzweifelt: wie kann man all das hier haltbar machen?

Wie kann man das Flüstern des Windes, das wehmütige Schreien der Möwen, das zornige Knarren der alten Fußböden in der herrschaftlichen Häusern festhalten? Und was hätten all die stumpfen Fenster, die müde aus den verlassenen Villen hinausschauen, zu erzählen, wenn sie könnten? Ich dachte jedoch nicht im Traum daran, zu schreiben.

Der entscheidende Wendepunkt in meinem Autorenleben kam, als ich mich auf meiner Hochzeitsreise in Australien befand. Ich war dort viel alleine, da mein Mann unsere Hochzeitsreise mit einer Geschäftsreise verband. Und so setzte ich mich an einem heißen Nachmittag mit einem Roman, den ich damals selbst las, ans Hafenbecken in Sydney. Das Buch neigte sich dem Ende und als ich die letzte Seite umblätterte, überkam mich dieses wohlbekannte traurige Gefühl, wenn ein Buch ausgelesen ist. Wenn eine Geschichte zu Ende ist. Man sich von den Charakteren trennen muss.

Traurig schloss ich meine Augen. Fühlte den Wind in meinem Gesicht, der salzig vom Meer herblies. Er fühlte sich an wie in Schottland.

– Schottland –

Ich hörte die Seemöwen, ich roch die Meeresluft, hörte die Segelmasten aufgeregt im Wind flüstern. Die Takelagen schlugen hektisch aneinander, als wollten sie sagen: “Constanze, wach auf! Jetzt ist der Moment!” Ich öffnete meine Augen. Griff nach einem Bleistift, nach einer Serviette, und schrieb den ersten Satz auf sie nieder. Das war der Moment, in dem mein Roman “Polychrom geboren wurde.

Bist du Teilzeit geflogen, um dein Buch nebenberuflich zu schreiben? Wann (Tages- und Jahreszeit) und wo hast du am liebsten geschrieben?

Als ich aus Australien zurück war, vergaß ich zunächst die Anfänge meines Mini-Manuskripts, was sich zu diesem Zeitpunkt noch verteilt auf Servietten, Bierdeckeln und Rückseiten von Kassenbons befand. Mein Uni-Abschluss stand bevor, ich musste meine Magisterarbeit fertig stellen und mich auf eine große mündliche Prüfung vorbereiten. Direkt im Anschluss begann meine Beschäftigung als Flugbegleiterin. Circa ein halbes Jahr später nahm ich wieder das Schreiben auf. Ich dachte nicht im Traum daran, dass ich mich hier ernsthaft hinsetze und meinen Erstlingsroman schreibe.
Nein! Ich hatte Spaß an der Sache, fand einen ruhigen Ausgleich zu meinem schönen, doch teilweise sehr hektischen Beruf.

Ich wechselte schließlich auf 50% Teilzeit. Jedoch nicht wegen des Buches. Eher aus privaten Gründen. Und dann geschah das Entscheidende: mit meinem sporadischen Interesse, hin und wieder an dem Buch zu schreiben, gaben sich die Charaktere meiner Geschichte nicht zufrieden. Ich hatte irgendwann ein schlechtes Gewissen, wenn ich mich tagelang nicht um sie kümmerte. Sie riefen laut nach mir und waren empört, dass ich sie einfach so zurückließ.
Von da an wusste ich, dass ich es ernst nehmen muss. Ich musste ihrer Geschichte einen Rahmen und ein würdevolles Ende geben.

So begann ich, meine Teilzeit, welche ich vorher ausschließlich nutzte, um etwas mehr Zeit mit meiner Familie verbringen zu können, für meinen Roman zu nutzen. Somit hatte nicht ich mir den Weg zu meinem Roman geebnet. Er schuf sich seinen Weg zu mir – mit aller Macht.

Wie viele Seiten hat dein Buch? Und wie lange hast du an diesem geschrieben?

Er wird mit ca. 520 Seiten erscheinen. Und vom ersten Satz bis zur Fertigstellung des Manuskripts dauerte es fast auf den Tag genau drei Jahre.

Nun ist der Autorenalltag sicherlich ganz anders als von dem einer Flugbegleiterin. Wie stellt man es sich vor?

Ich würde gar nicht unbedingt sagen, dass ich die beide Arbeitsalltage so getrennt voneinander sehe. Ich habe auf meinen Reisen immer einen kleinen Notizblock und einen Bleistift dabei. Ich beobachte Menschen sehr gerne. Sei es, dass es ein markantes Verhaltensmuster ist oder ein Gesicht, das mir auffällt. Komme ich im Hotel an, kann ich es kaum erwarten, all meine Eindrücke wieder aufzuschreiben und darüber nachzudenken, wo und an welcher Stelle ich sie in meine Geschichte einspeisen kann. Oft gibt es auch Phasen, da habe ich eine sogenannte Schreibblockade. Mein Kopf ist voll von Gedanken, doch ich schaffe es nicht, auch nur ein Wort niederzuschreiben. Erzwingen kann ich es nicht. Dann klingt es nicht authentisch und nicht packend. Ich warte auf den entscheidenden Moment, der mich inspiriert. Das kann strömender Regen an einem Oktobertag sein, ein Lächeln, das mir jemand schenkte, eine Landschaft, die mich in ihren Bann zieht. Und ich erzwinge diese Momente nicht, da ich weiß, dass sie von alleine kommen.

Am meisten inspiriert mich das Meer. Wie gut, dass ein Großteil meiner Familie an der Ostseeküste lebt! Das ist der wohl inspirierendste Ort, an den ich mich zurückziehen kann. Die Orte, an denen meine Geschichten handeln, muss ich gesehen haben. Es reicht mir nicht, mir Bilder anzusehen oder nur über etwas zu lesen. Ich brauche die Gerüche, den Lichteinfall, die Menschen. Ich brauche die Tasse Tee, die mich nach dem kühlen Wind wärmt. Ich brauche das Geräusch einer Fliege, die in der Ferne wütend ihr Lied singt. So gestalten sich meine Bücher. Sie müssen echt sein.

Meine Lektorin sagte mir einmal, man tauche in jedes Wort von mir ein und man spüre kaum den Unterschied zwischen gelebter und geschriebener Realität.

Ich denke, dieser Eindruck ist meinem Drang zuzuschreiben, mich weit zurückzuziehen und alleine in eine ganz andere Welt abzutauchen, die ich später mit den Lesern teilen kann. Und ein Manuskript ist niemals fertig. Ich sehe die Welt ständig mit offenen und suchenden Augen.

Letztes Jahr im Sommer dachte ich, mein Manuskript sei fertig und ich ließ es ruhen wie einen Hefeteig. Bis ich mit meiner Familie einen Ausflug ins Havelland machte. Dieser Ort packte mich mit einer Wucht, mit der ich nicht gerechnet habe und ich wusste, er verdient einen Platz in meinem Roman.

Also: zuhause angekommen, begann ich, weite und abgeschlossene Textpassagen komplett umzuschreiben, was mich circa nochmal ein halbes Jahr beschäftigte.

Der Autorenalltag findet also permanent statt. Jeden Tag, jede Minute. Jeder Augenblick zählt und kann Deine gesamte Geschichte verändern. Ergo: halte immer Bleistift und Zettel bereit!

Kannst du kurz erzählen, wie so eine Buchveröffentlichung zeitlich abläuft und wer so alles involviert ist?

Nachdem man sich nach langem Zögern und Abwägen dazu entschlossen hat, dass das Manuskript nun eigentlich vernünftig abgeschlossen ist und Du Dich schwerem Herzens von all Deinen selbsterschaffenen Charakteren verabschiedet hast, kommt der Moment der Verlagssuche. Die Schwierigkeit besteht darin, dass Dein Manuskript in das Portfolio eines Verlages passen muss. Und als junger und vollkommen unbekannter Autor stehen die Chancen, von einem Verlag unter Vertrag genommen zu werden, ohnehin gleich null. Ich wollte mich jedoch nicht entmutigen lassen und schrieb einige Verlage an.

Man sendet nicht sein gesamtes Manuskript hin, sondern ein Exposé mit Anschreiben, wie bei einer Bewerbung. Die Kunst in dem Exposé besteht darin, die über 600 Seiten, die Du mit Herzblut geschrieben hast, nun in einer kurzen und pragmatischen Inhaltsangabe zusammenzufassen, die ZWEI SEITEN!!! nicht überschreiten darf. Das klingt einfacher als es ist, aber glaubt mir, es gibt keinen Autor, der nicht schon daran verzweifelt ist.

Zwei Verlage sagten prompt ab. Und doch beim dritten kam die Zusage. Von vielen Verlagsautoren hört man, dass es selbstverständlich ist, über sechzig Verlage anzuschreiben, bis vielleicht eine Zusage kommt. Meine Zusage kam nach dem dritten Versuch! Auf Anforderung des Verlags sendete ich ihnen mein gesamtes Manuskript zu. Ab diesem Moment war ich im richtigen Autorenleben und Verlagswesen gefangen. Aufregend!

Ich brauchte eine gewisse Zahl an Vorbestellungen, also organisierte der Verlag Lesungen und ich tourte eine Weile zu Anfang des Jahres durch Norddeutschland und lernte bei meinen Lesungen viele aufregende, liebe und hilfsbereite Menschen kennen.Es dauerte nicht lange und nach circa vier Wochen hatte ich die erforderliche Anzahl an Vorbestellungen zusammen und das Manuskript verließ die Bühne, um in das Lektorat abzutauchen, wo ein Lektor Fehler korrigiert und den sprachlichen wie grammatikalischen Feinschliff vornimmt. Bei Lektoren handelt es sich oft um Literaturwissenschaftler und/oder Journalisten, bzw. Germanisten. In der Zwischenzeit hatte ich immer wieder Kontakt mit einer Graphikerin, die das Cover und den Klappentext mit mir zusammen gestaltete.

Es ist also ein Orchester aus vielen Menschen, die zur Buchveröffentlichung beitragen. Nach einem halben Jahr, in dem sich das Manuskript im Lektorat befand, erhielt ich die Nachricht, dass das Lektorat abgeschlossen sei und ich den Korrekturvorschlag gegenlesen soll. Das wird nun auch eine gewisse Zeit in Anspruch nehmen. Ist dies abgeschlossen, wird das Buch in den kommenden Monaten in den sogenannten Satz gehen…in den Druck.

Und im Herbst findet es dann seinen Weg zu den Menschen, die mit meinen Charakteren auf Reisen gehen. Und in den Häusern hoffentlich noch lange gelesen wird, auch wenn die Lichter schon längst ausgeschaltet sein sollten…

Was war sehr besonders schwierig und was war besonders schön beim Schreiben?

Besonders schwierig beim Schreiben war wahrscheinlich ich selbst. Wenn ich einen Gedanken gefasst hatte und es mir nicht sofort gelang, ihn in meinem Kopf entsprechend in den Lauf der Geschichte einzubinden. Ich wirke dann oft geistesabwesend und meine Familie fragte besorgt, was ich habe, ob ich traurig bin, woran ich denke. Dabei wollte ich nur meine Ruhe, denn ich konnte mich nicht konzentrieren. Oft gab es Szenen, in denen ich mit unwirschen Bemerkungen fluchtartig den Raum oder gar das Haus verließ oder ich meine Mitmenschen kalt von mir wies. Das muss sehr befremdlich gewirkt haben. Aber mittlerweile habe ich gelernt, mir gleich den entsprechenden Freiraum für mich und mein Denken zu schaffen, auch ohne dass ich meine Mitmenschen irritiere.

Besonders schön beim Schreiben ist das Abtauchen in andere Zeiten, in andere Länder. Das Hineinschlüpfen in andere Rollen. Eine weiße Seite schreckt mich nicht ab. Sie inspiriert mich. Sie ist ein Tor zu einer anderen Welt, in der ich zeitweise leben möchte und kann. Es ist großartig, wenn ich meine Gedanken und Ideen mit Menschen teilen kann, die mir wichtig sind. Mit meiner Mutter in einem kleinen verträumten Café zu sitzen und ihr von einem neuen Kapitel zu erzählen, mit meinen Freunden über meinen Schreibstil zu diskutieren. Doch Momente, die mich in meinem Leben berührt haben, auf Papier für immer festhalten zu können – das ist wohl das Schönste am Schreiben.

Wie geht es bei Dir weiter?

Ich werde fliegen und ich werde schreiben. Ich werde demnächst viele Lesungen halten, wenn der Roman im Herbst erschienen ist. Auch werde ich im November auf einer Buchmesse in Wien zugegen sein, bei dem mein Verlag unter anderem mich vertritt. Buch 2 ist in Arbeit. Und es ist voller Inspiration und fremder Orte. Und ich freue mich, immer wieder darin eintauchen zu können.

Herzlichen Dank und ganz viel Erfolg!

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Hallo, ich bin Meike. Seit 17 Jahren arbeite ich als Flugbegleiterin.

2012 habe ich nebenberuflich den Reiseveranstalter JOVENTOUR gegründet und 2020 das Posterlabel littleplan

Mehr über mich erfährst du hier!

Meike